1925
Im Frühjahr aus Anlass des bevorstehenden 50. Geburtstages von Oskar Moll richtet die Gesellschaft der Breslauer Kunstfreunde ihm eine große Jubiläumsaustellung im Schlesischen Museum der Bildenden Künste ein. Es wird zu Lebzeiten seine größte Einzelausstellung sein, in der er knapp 160 Werke (Gemälde, Aquarelle, Gouachen und Zeichnungen) aus den Jahren 1900 bis 1925 ausbreitet.
Zur Ausstellung erscheint ein illustrierter Katalog mit einem Vorwort des Kunsthistorikers August Grisebach (1881–1950), Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Breslau. Den Katalogumschlag hat der Jubilar mit einem für seine Kunst typischen Motiv selbst gestaltet: ein Stillleben mit Fensterausblick aufs Meer. Im Innenteil des Kataloges sind zu Anfang und am Ende zwei Lithografien eingebunden, ein Selbstporträt, und zwei weibliche Akte.
Moll, Mitbegründer des Rotary-Clubs in Breslau, begibt sich erstmals in den Kur- und Künstlerort Schreiberhau (pl. Szklarska Poręba) im Riesengebirge (pl. Karkonosze), den er 1931 noch einmal aufsuchen wird. In den Semesterferien reisen die Molls zuerst nach Wien und dann über Ascona am Lago Maggiore nach Venedig. Neben einem weiteren Aufenthalt in Levanto kündigt der Künstler im August zudem eine Reise zum Genfer See an, wo er sich in Lausanne aufhalten wird. (vgl. Brief Nr. 123 Moll an Curt Herrmann vom 23.8.1925, in: Bothe 1989, S. 429).
Im Oktober wird Oskar Moll zum Direktor der Breslauer Kunstakademie berufen (Abb. 5). Unter seinen Mitkonkurrenten sollen die Architekten Walter Gropius (1883–1969), Hans Poelzig (1869–1936) und Adolf Rading (1888–1957) gewesen sein. Molls Berufung wird daher in der Presse kritisch gesehen. Denn mit ihm steht ein Maler und nicht wie es die Tradition vorsieht, ein Architekt oder Kunstgewerbler diesem Institut vor, die eine Synthese freier und angewandter Kunst anstrebt.

In den nächsten sieben Jahren wird Moll die Breslauer Kunstakademie im Sinne Endells einerseits zu einer pädagogisch lebendigen und künstlerisch fortschrittlichen Lehrstätte entwickeln und andererseits ihren Weg in die Moderne weisen mit wohl überlegten Berufungen profilierter Künstler zu Lehrprofessoren u.a. den Architekten Hans Scharoun (1893–1972) und die Maler wie Grafiker Alexander Kanoldt (1881–1939), Carlo Mense (1886–1965), Johannes Molzahn (1892–1965), Oskar Schlemmer (1888–1943) und Georg Muche (1895–1987).
Moll nimmt an den Kuratoriumssitzungen des Schlesischen Museums der Bildenden Künste teil und gewinnt dadurch Einfluss auf die Ausstellungspolitik und Gestaltung des kulturellen Lebens in der Stadt. Seine künstlerische Auffassung, die sich zur Nähe der französischen Moderne bekennt, handelt ihm in der Folgezeit zunehmend Kritik in der nationalen Presse und auch unter Kollegen in der Akademie ein, allen voran bei Alexander Kanoldt, der den Stil der „Neuen Sachlichkeit“ propagiert.

1926
Am 22. Januar eröffnet die Berliner Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais aus Anlass von Oskar Molls 50. Geburtstag, den er bereits am 21. Juli 1925 begangen hat, nachträglich eine Sonderausstellung mit 71 Gemälden und Aquarellen sowie 59 Grafiken. Anschließend wird diese umfangreiche Präsentation auch noch im Kunstverein Magdeburg gezeigt.

5 Oskar Moll als Direktor der Breslauer Kunstakademie 1925, Fotografie

Die Molls reisen zunächst nach Florenz und treffen sich mit dem Kunsthistoriker Dr. Wilhelm Waetzoldt (1880–1945). Von Juli bis August beteiligt sich dann Moll in der Nationalgalerie Berlin mit drei aktuellen Gemälden an der „Ausstellung von Gemälden jüngerer Künstler aus Deutschland, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten“ (Multinationale), die anschließend nach Bern, London, Paris, Madrid und New York gehen wird.
Ende des Jahres 1926 beginnt der Akademiedirektor sich mit dem Kubismus zu beschäftigen. In einem Brief an Curt und Sophie Herrmann vom 12.2.1927 teilt er mit, „daß ich mich so einer Art Kubismus in die Arme geworfen hab.“ (zit. nach Bothe 1989, S. 432). Diese Phase dauert bis 1932, in der die Gegenstände collagenartig arrangiert und zu einer geometrischen Bildkonstruktion verdichtet werden, bestehend aus einem Geflecht von Schachbrettmuster, Gitterstruktur, Linien-, Wellen- und  Zickzackform. Zahlen, Buchstaben oder einzelne Wörter werden in die Bildszene mit integriert.
Marg Moll wird zudem 1928 nach Paris reisen, wo sie u.a. von Fernand Léger (1881–1955), Alexander Archipenko (1887–1964) und Constantin Brâncuși (1876–1957) wichtige Anregungen finden wird für ihre tektonisch stilisierten, kantigen Figuren im Aufbau aus konkaven und konvexen Formen, die einen Höhepunkt in ihrem bildhauerischen Werkschaffen darstellen.

1926/28
Neben zahlreichen Vertretern der Moderne präsentiert Oskar Moll auf der 15. wie auf der 16. Biennale Venedig (= Sonderausstellung Lovis Corinth, Franz Marc, Emil Nolde) im Deutschen Pavillon Gemälde und Grafiken.

1926–31
Neben Levanto bleibt Wölfelsgrund weiterhin Molls beliebtester Ausflugsort zum Entspannen und Malen.

1927
Zwischen Juni und August ist Moll zum dritten Mal in der Berliner Galerie Alfred Flechtheim vertreten und zwar mit zwei Gemälden in der Kollektivausstellung „Das Problem der Generation. Die um 1880 geborenen Meister von heute. Erster Teil: Die Deutschen“.

1928
Zu Anfang des Jahres zeigt Moll auf der 12. Ausstellung der Deutschen Kunstgemeinschaft, einer Künstlervereinigung, die von 1926 bis 1933 ihren Sitz im Berliner Schloss hat und künstlerische Positionen kritisch vorstellt, acht Landschaften und Stillleben der letzten Jahre.
Im Juli ist er dann an der „Zweiten Ausstellung Deutscher Nach-Impressionistischer Kunst aus Berliner Privatbesitz“ beteiligt, wo in der Berliner Nationalgalerie von ihm ein Stillleben aus der jüdischen Sammlung Robert Graetz (1878–1945 für tot erklärt) präsentiert wird.

1929
Als Mitglied des Ehrenkomitees fördert Oskar Moll die Breslauer Werkbund-Ausstellung „Wohnung und Werkraum“ (WuWA 15. Juni – 29. September), die von der Initiative der Architekten der Akademie und ihres Umfelds, vor allem von Adolf Rading  und Heinrich Lauterbach (1893–1973) als Vorsitzendem der schlesischen Sektion des Deutschen Werkbunds ausgeht. Breslau wird damit Treffpunkt produktiver Kräfte verschiedenster Disziplinen zwischen Architektur, Innenarchitektur und Designer.
Während im Juni in der großen „Aquarellausstellung von Menzel bis Nolde“ der Hamburger Galerie Commeter unter den knapp einhundert Künstlern auch der Name Oskar Moll zu finden ist, wird er Ende September in der Düsseldorfer Zweigstelle der Galerie Alfred Flechtheim letztmalig in der Gruppenausstellung „Lebende deutsche Kunst aus rheinischem Privatbesitz“ mit einer „Schneelandschaft“ vertreten sein.
Die Molls reisen zur Abwechslung nach Budapest und Wien.
Erich Wiese (1891–1979), neuer Direktor des Schlesischen Museums der Bildenden Künste in Breslau, vereinigt in der Neukonzeption der Sammlungsräume Werke u.a. von Edvard Munch, Karl Schmidt-Rottluff, Paul Klee, Henri Matisse, Fernand Legér, Pablo Picasso (1881–1973) und Wassily Kandinsky (1866–1944) mit jenen von Malern schlesischer Herkunft wie z.B. Eugen Spiro (1874–1972), Ludwig Meidner (1884–1966), Otto Mueller, Alexander Kanoldt und Oskar Moll.
Im Winter 1929/30 kommt es vor der Breslauer Jahrhunderthalle zu einem Treffen zwischen dem Ehepaar Moll und dem Breslauer Theaterregisseur Felix Klee (1907–1990), seinem Vater Paul Klee, Otto Mueller (1874–1930) und Adolf Rothenberg, einem Förderer der Breslauer Künstlerszene.

1929–32
Moll, der zeitlebens verschiedene Porträts von Mitgliedern aus dem engeren Familien- und Freundeskreis gemalt hat, arbeitet an ausdrucksstarken Damenbildnissen aus dem Breslauer Kunstkreis, u.a. von Inge von Mandell, Ilse Molzahn und Else Muche.

1930
Die Breslauer Kunstakademie stellt im Januar/Februar im alten General-Kommando Gemälde, Plastik, Grafik, Architektur und Kunstgewerbe von Lehrern und Professoren der Vorklasse, Fachklassen und Werkstätten aus. Moll, der die Ausstellung kuratiert, ist selbst mit neuesten Stillleben und Porträts vertreten.

Aus dem Besitz von Oskar Moll erhält die Galerie Alfred Flechtheim für eine Ausstellung zwei Werke von Matisse (u.a. „Porträt Margarete Moll“) als Leihgabe, die anschließend wieder als Leihgabe an die Nationalgalerie Berlin zurückgehen. (Abb. 6)
Zum Tod seines eng befreundeten und geschätzten Kollegen Otto Mueller, der am 24. September in Obernigk bei Breslau an einem Lungenleiden gestorben ist, hält Oskar Moll die Grabrede.
Im Dezember hat Moll in der Galerie Dr. Alfred Gold noch eine Einzelausstellung mit kubistischen Gemälden. Zwei Werke von Henri Matisse („Stilleben mit Auberginen“ und „Stilleben Schale mit Äpfeln“) aus seinem Besitz befinden sich zugleich in dieser Berliner Galerie und sollen in seinem Aufrag zu einer Ausstellung nach New York gehen.

6 Oskar und Marg Moll,
Breslau 1930, Fotografie

1931
Die Molls suchen den Luftkurort in Windischgarsten in Oberösterreich auf. Zuhause wird der Maler und Grafiker Gerhard Neumann (1907–2004) Molls jüngster Assistent an der Breslauer Kunstakademie. Ende des Jahres wird Moll als Akademiedirektor wegen seines sozialen Engagements in der ideellen Unterstützung der modernen Kunstausstellung „Die juryfreie Kunstschau im Kampf um Arbeit und Brot“ in der konservativen Presse heftig angegriffen.

1932
Unter dem Titel „Künstlerbund und Akademie“ veranstaltet im Februar der Künstlerbund Schlesien im Singerhaus, Junkernstraße 23, seine letzte Jahresausstellung, an der auch Oskar Moll beteiligt ist, bevor die Breslauer Kunstakademie infolge der 2. Preußischen Notverordnung am 1. April aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wird. Bereits zwei Jahre zuvor war Moll bei der übergeordneten Stelle in Berlin vorstellig, um Hinweise auf etwaige finanzielle Probleme und damit verbundene Personaleinsparungen auch bei der Breslauer Kunstakademie zu erörtern.
Vierzehn Tage nach Schließung der Breslauer Kunstakademie gelingt es den Molls gemeinsam in Paris auszustellen. Die avantgardistische Galerie Georges Petit zeigt im April neueste Gemälde von Oskar und aktuelle Plastiken von Marg Moll.
Im Juni verlassen die Molls Breslau. Sie mieten vorübergehend in Oberkassel am Rhein am Kaiser-Wilhelm-Ring eine Wohnung, ziehen später dann nach Düsseldorf in die Couvenstraße 6. Denn Oskar Moll wurde bereits zum 1. April 1932 durch Direktor Walter Kaesbach (1879–1961) an die Düsseldorfer Kunstakademie auf eine „planmäßige Professorenstelle“ berufen, die er allerdings erst im Herbst des Jahres antritt, um eine Zeichenklasse zu übernehmen und ein Meisteratelier für Malerei zu leiten. Der spätere Maler und Grafiker Théo Kerg (1909–1993) wird sein Schüler, der künftige Maler und Galerist Rudolf Stuckert (1912–2002) sein Meisterschüler.
Derweil unternimmt die Familie Moll im Sommer eine längere Reise, die sie zunächst mit dem Schiff über Hamburg, Antwerpen, Southampton, Lissabon, Ceuta, Malaga nach Palma di Mallorca führt. Sie lebt knapp drei Monate an der nordwestlichen Steilküste im Ort Deià, wo mehrere Gemälde von Oskar Moll entstehen. Während die Töchter die Rückreise antreten, begibt sich das Ehepaar Moll noch auf die Weiterreise nach Barcelona, Madrid und Toledo, um abschließend in Altamira die steinzeitlichen Höhlen zu besichtigen.

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