Gedanken zu einem entdeckten Spätwerk

Stillleben mit Blumenstrauß, Kopfplastik und grüner Kanne. 1945
Gouache auf braunem Packpapier
67,5 x 50 cm
Privatbesitz

Verheerende Folgen des Zweiten Weltkrieges setzen Oskar Moll und seiner Frau Marg schwer zu. Nach Bombenangriffen von 1943 und ’44 wird ihr von Hans Scharoun entworfenes Wohn- und Atelierhaus in Berlin-Grunewald mit dem kostbaren Inventar weitgehend zerstört. Das Künstlerpaar weicht notgedrungen ins schlesische Brieg aus, der Heimatstatt von Oskar Moll. Nach der Evakuierung Briegs im Januar 1945 flüchten die Molls nach Westen und halten sich einstweilen in Altenweddingen bei Magdeburg auf. Erst im Mai 1946 gelingt es ihnen auf einem Lastwagen nach Berlin zurückzukehren. Während der entbehrungsreichen Zeit der Flucht zerstreut sich der ehemalige Breslauer Akademieprofessor, der mittlerweile durch eine Urämie gesundheitlich geschwächt ist, mit einer Reihe weich gezeichneter Stillleben, die er mit wenig verfügbaren Malmitteln auf faserhaltigem Packpapier entwirft. Ein repräsentatives Exemplar konnte im letzten Jahr in Privatbesitz entdeckt werden. Auf einer Tischplatte mit Fransendecke in schachbrettförmigem Muster werden Motive arrangiert, die Molls Stillleben der letzten zwanzig Jahre beleben. Es dominiert ein gläserner Henkelkrug, aus dem sich ein sommerlich frischer Strauß aus Kapuzinerkresse, Glockenblumen und Schleierkraut entfaltet. Um den Krug gruppieren sich ein weibliches Kopfporträt aus Gips (wohl mit den Händen von Marg Moll modelliert), eine schlanke grüne Deckelkanne und saftige Früchte (Birne mit Apfel). Bereits 1946 kann Oskar Moll diese Gouache an Eberhard Seel verkaufen, den ersten Nachkriegsgeschäftsführer des Deutschen Künstlerbundes, der zuletzt 1964 in Berlin für eine ruhmreiche Jubiläumsschau des Künstlerbundes zum 60. Jahrestag verantwortlich zeichnet. Dieser umtriebige Kunstförderer nimmt sich früh dem erlebten Schicksal des Ehepaares Moll an, indem er es mit Care-Pakete versorgt und ihm eine Mietwohnung in Berlin-Zehlendorf vermittelt. In Dankbarkeit für seinen humanen Einsatz widmet Moll 1946 Seel dieses anmutige Stillleben „zur frdl.(freundlichen) Erin.(Erinnerung)“. Ein Jahr danach beginnt in Berlin die Rehabilitierung des ehemals verfemten Künstlerpaares. Die Kleine Galerie von Walter Schüler richtet ihm von Mai bis Juni 1947 eine erste Verkaufsausstellung ein, für Oskar Moll eine späte Genugtuung, denn er stirbt am 19. August an den Folgen einer erneuten Urämie.