Oskar Moll und der Sammler Heinrich Kirchhoff

Stillleben mit Philodendron und kleinen Skulpturen. 1915
Öl auf Leinwand
110 x 100 cm
sign. u.l.: Oskar Moll 15
Kulturhistorisches Museum, Rostock

Unter den Kunstsammlern und Mäzenen, die Oskar Moll unterstützten, spielte der aus Essen stammende Heinrich Kirchhoff (1874-1934) eine besondere Rolle. Seit 1908 in Wiesbaden ansässig, wirkte er – durch eine einträgliche Erbschaft finanziell unabhängig – als Förderer impressionistischer und expressionistischer Künstler. Kirchhoffs Interesse an Werken des Berliner Secessionisten schien groß, der sich am 16. April 1916 ins Gästebuch der Familie Kirchhoff eintrug. Der umtriebige Sammler erwarb von Moll innerhalb weniger Jahre immerhin achtzehn Werke, darunter zehn Gemälde, sieben Zeichnungen und ein Aquarell, neben wenigen Aktmotiven vornehmlich Stillleben und Landschaften.

Anfang 1917 zeigte das Neue Museum in Wiesbaden von der beachtlichen privaten Kunstsammlung eine repräsentative Übersicht, in der Moll mit vier Gemälden und sieben Zeichnungen vertreten war, u.a. mit dem „Stillleben mit Philodendron und kleinen Skulpturen“ von 1915. Kirchhoff bewies ein sicheres Gespür für Qualität, denn das farbmodulierende Gemälde überzeugt neben gestaltungshistorischen Kniffen durch seine ausgewogene Komposition, die eine Serie unverwechselbarer Stillleben auslöste. Der Blick richtet sich auf ein Arrangement von verschiedenen Utensilien (Topfpflanze, Gipsfiguren, Gefäßen, Büchern und dem Gehäuse einer Meeresschnecke), die sich auf einem schräg zur Bildebene verlaufenden Tisch mit zurückgezogener Decke ausbreiten. Schlaue Botaniker sehen übrigens in der Pflanze weniger einen Philodendron als eine Monstera, beide aber zugehörig zur Familie der Aronstabgewächse. Ungeachtet dessen schien das Gemälde dem Kunstkritiker der Ausstellung zu gefallen, der es sogleich in seinem jovialen Artikel abbilden ließ (vgl. Walter Müller-Wulckow: Die Sammlung Kirchhoff in Wiesbaden, in: Das Kunstblatt 1, 1917, Heft 4, S. 102-109, Abb. S. 105).

Am 26.8.1937 wurde dieses Stillleben, das mittlerweile zum Inventar des Museums Wiesbaden gehörte, vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Eine beispiellose Odyssee des Gemäldes begann, die erst 2009 mit dem heutigen Standort in Rostock endete. Vor dem Hintergrund der Rekonstruktion der außergewöhnlichen Kunstsammlung von Heinrich Kirchhoff findet vom 27.10 2017 bis 25.3.2018 im Museum Wiesbaden die Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ statt, in der auch Werke von Oskar Moll einen prominenten Platz haben werden.