Oskar Moll im Kunsthandel nach 1947


1 Rote Koenigsalleebrücke, 1918
Öl auf Leinwand, 70 x 80,5 cm
SEB AG, Frankfurt/Main

Im Deutschen Kaisereich und in der Weimarer Republik waren Molls Werke regelmäßig auf Ausstellungen renommierter Kunstsalons und Galerien vertreten. Ob der gebürtige Schlesier seine Gemälde etwa bei Paul Cassirer, Alfred Flechtheim oder Ernst Arnold auch verkaufen konnte, geht aus deren Geschäftsbüchern, soweit heute noch vorhanden, nicht eindeutig hervor. Ferner war der schöngeistige Autodidakt in Folge eines frühen väterlichen Erbes nicht unbedingt auf die Vermarktung seiner Kunst angewiesen.
Nach seinem Tod 1947 ordnete und verwaltete seine Witwe, die bekannte Bildhauerin Marg Moll (1884-1977), seinen künstlerischen Nachlass und initiierte damit Gedächtnisausstellungen. Gleichzeitig nahm sie mit dem Stuttgarter Kunstkabinett Kontakt auf, gegründet 1946 von dem Galeristen Roman Norbert Ketterer (1911-2002). Von 1947 bis 1962 fanden hier 37 Auktionen mit Kunstwerken der Klassischen Moderne statt, die in der NS-Zeit als „entartet“ gebrandmarkt und aus öffentlichen Sammlungen entfernt worden waren, und jetzt einem breiten Publikum mit neuer Wertschätzung bekannt gemacht wurden.
Auch Molls Bilder, die ehemals durch Verkauf oder Schenkung in die Museen gelangten (u.a. Nationalgalerie mit Kupferstichkabinett Berlin, Museum Folkwang Essen und Kunsthalle Hamburg), wurden 1937 Opfer der NS-Raubkunst.
Und so versteigerte das Stuttgarter Kunstkabinett zwischen 1949 und 1959 drei ehemals beschlagnahmte Gemälde von ihm, einmal das „Stillleben mit Mohn“ von 1916, das am 21. Januar 2020 dem ursprünglichen Eigentümer, dem Museum der Bildenden Künste Leipzig, freiwillig restituiert wurde, nachdem es von 1967 bis 2019 zur Sammlung Farbenfabriken Bayer AG, Leverkusen gehörte. Zudem die bis 1937 in der Städtischen Kunsthalle Mannheim befindliche, bislang nur in einem Schwarzweißfoto überlieferte „Koenigsalleebrücke“ von 1918, die sich heute in unbekanntem Privatbesitz befindet, sowie den „Garten in Levanto“ von 1923, einst im Besitz des Schlesischen Museums der Bildenden Künste in Breslau, heute im Eigentum des Energiekonzerns E.ON in Essen.
Außerdem gelangten zwischen 1952 und 1962 über dreißig frühe wie späte Arbeiten aus Molls Hinterlassenschaft auf die Auktionen des Stuttgarter Kunstkabinetts, dessen Mitbegründer und Experte für die Kunst des 20. Jahrhunderts Wilhelm Friedrich Arntz (1903-1985) Marg Moll seinerzeit beraten hatte. Nicht jedes Werk fand indes einen neuen Eigentümer.
Ende 1966 stellte die Künstlerwitwe dann aus dem Nachlass einhundert ausgewählte Werke dem Galeristen und Kunsthändler Johannes Wasmuth (1936-1997) für eine große Verkaufsausstellung zur Verfügung. Diese Werkschau war zunächst in der Galerie Pro in Bad Godesberg und anschließend im Kunstbahnhof Rolandseck in Remagen zu sehen, verlief ohne Katalog jedoch wenig erfolgreich.
Dennoch entschied sich die mittlerweile 88-jährige Künstlerin den Nachlass ihres Mannes Anfang der 1970er Jahre an Wasmuth zu veräußern, abzüglich jener Bilder, die in der Familie blieben. Der sich über Jahre hinschleppende Verkauf des Konvoluts wurde von dem Galeristen nicht schriftlich dokumentiert. Mit seinem Tod versiegte eine wichtige Quelle.
Auf Initiative von Brigitte Würtz (1918-2018), der jüngeren Tochter des Künstlerehepaares Moll, wurde schließlich von Mai bis Juni 1992 an der noblen Münchner Maximilianstraße in den Räumen der einflussreichen Galerie von Alfred Gunzenhauser mit fünfzehn, teilweise noch aus dem restlichen Nachlass verbliebenen Spätwerken, eine kleine, aber feine Ausstellung eingerichtet. Unter den Exponaten befand sich ein herausragendes Gemälde aus der bekannten Serie der „Koenigsalleebrücke“ (Abb. 1).
Der umtriebige Galerist und Sammler hatte dieses Bild bereits Ende November 1989 im Berliner Auktionshaus Grisebach für DM 100.000.– erworben, um es drei Jahre später in seiner Ausstellung für über DM 200.000.– anzubieten. Die lichtdurchflutete Landschaft fand sogleich einen neuen Eigentümer, nämlich die BfG Bank in Frankfurt, die 2003 am selben Ort in die nordische Bank SEB aufging. Es war der bislang teuerste Verkauf eines Gemäldes des „Farbsymphonikers“.

2 Bunter Tänzer, 1930
   Öl auf Leinwand, 120 x 101 cm
   Privatbesitz

Bis heute sind es vor allem die deutschen Auktionshäuser Grisebach in Berlin, Lempertz und Van Ham in Köln sowie Ketterer in München, die in regelmäßigen Abständen Werke von Oskar Moll anbieten. Seine Gemälde erreichen allerdings nur noch selten höhere Zuschlagspreise, zuletzt bei Van Ham in der 372. Auktion, als am 2. Juni 2016 unter Kat.-Nr. 40 der 1930 entstandene kubistische „Bunter Tänzer“ (Abb. 2) aufgerufen und für € 50.000.– versteigert wurde.
Vergessen sind Molls Arbeiten im deutschen Kunsthandel mitnichten. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie in ihrer künstlerischen Qualität wiederentdeckt und sogleich auf dem Kunstmarkt höher bewertet werden.

2 Bunter Tänzer, 1930
Öl auf Leinwand, 120 x 101 cm
Privatbesitz